The Last Guardian (PS4) | Meinung & Review
Mein persönliches Meinungsreview zu THE LAST GUARDIAN auf der PlayStation 4 (Video & Text)
THE LAST GUARDIAN ist im Dezember 2016 nach fast 10 Jahren Entwicklungszeit endlich exklusiv für die Playstation 4 erschienen und erhitzt nach wie vor die Gemüter. Einige sind der Meinung, dass das Spiel rund um das riesige Fabelwesen Trico, genau wie die inoffiziellen Playstation 2 Vorgänger Ico und Shadow of the Colossus, ein unvergesslicher Meilenstein der Videospielgeschichte und sogar klares Game-Of-The-Year ist. Andere widerum finden THE LAST GUARDIAN eigentlich eher ziemlich langweilig und overhyped. Zumindest sind sich alle einig, dass Steuerung und Kamera hie und da ziemlich frustig sind und die Grafik nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Und niemand wird bestreiten, dass Trico, das besagte Fabelwesen, und der eigentliche Hauptcharakter von THE LAST GUARDIAN, einer der beeindruckendsten und lebensechtesten digitalen Charaktere ist, die jemals geschaffen worden sind.
Ich persönlich zähle mich zu der Game-Of-The-Year Fraktion. Klar, ich war auch einige Male ziemlich genervt von den technischen Problemen, hab mich über die teilweise recht niedrige Framerate gewundert und hätte Trico, nachdem er zum hundersten Mal genau das Gegenteil von dem macht, was er eigentlich machen soll, am Liebsten zur Adoption freigegeben. Aber im Endeffelt war mir das alles wurst. Die ganzen Probleme, die THE LAST GUARDIAN unbestreitbar auch hat, sind nichts im Vergleich dazu, was mir das Spiel an Freude bereitet hat. Es hat mich von der ersten Minute an nicht mehr losgelassen, bis ichs nach ca. 12 Stunden duchgespielt gehabt habe.
Ich bin ein großer Freund von einfach gestrickten Spielen. Nicht einfach im Sinne der Schwierigkeit, sondern einfach im Sinn der grundlegenden Gameplaymöglichkeiten. Ich fnde nichts besser, als wenn es ein Spiel schafft, dass es mich stundelang fesselt, obwohl es mir eigentlich nur ganz wenig Möglichkeiten bietet, wie ich mit der Spielwelt interagiere. Wegen seiner Reduziertheit habe ich damals schon SHADOW OF THE COLOSSUS geliebt. THE LAST GUARDIAN ist im Prinzip genauso, eigentlich sogar noch um eine Spur reduzierter. Meine Spielfigur kann nur laufen, springen, klettern, Zeug herumschleppen und Trico Befehle zurufen. Und ihn ab und zu auch mal Blitze schießen lassen. Kein Metagame im Inventarscreen, keine Player stats, kein Looten und Leveln. Ich kann nicht einmal kämpfen. Den Rest der Show schmeißen Trico, mein gigantischer und liebenswerter Hund-Katze-Vogel-Freund und die beeindruckenden Ruinen, in denen THE LAST GUARDIAN zur Gänze spielt.
Dass die beeindruckende Lebendigkeit und die überzeugende Persönlichkeit von Trico die Hauptattraktion von dem Spiel ist, ist von Anfang an klar. Es hat aber etwas gedauert, bis mir klar geworden ist, wer der eigentliche Bösewicht von dem Spiels ist. Es sind nicht die seltsamen Geister-Rüstungen, die meine Spielfigur jagen und durch magische Portale entführen wollen. Es sind auch nicht ide anderen Figuren, die sich mir in den Weg stellen. Nein, es ist die Spielwelt selbst, es sind die gigantischen Ruinen, es ist deren absurde Architektur, es sind die bodenlosen Abgründe, in die man ständig zu stürzen droht. Das Spiel ist voll mit waghalsigen Sprungsequenzen in luftigen Höhen, und nicht selten habe ich den Controller danach mal eine Zeit lang zur Seite legen müssen um Luft zu holen, nachdem ich diese Sprungpassagen endlich gschafft und wieder festen Boden unter den Füssen gehabt habe.
Aber vielleicht fragt man sich jetzt – Ist das nicht alles ein bisschen wenig Inhalt? Was wird sonst noch geboten? Wie kann ein Spiel, wo man selbst kaum Fähigkeiten hat, wo man nicht kämpfen kann, wo man nach der ersten Spielstunde schon alle Gameplay Features kennengerlent hat, wo man von der künstlichen Intelligenz von einem Computerwesen abhängig ist, und wo man die meiste Zeit nur nach einem Weg sucht, wie man weiter nach oben in die Freiheit klettern kann – wie kann einen so ein Spiel für 12 Stunden lang unterhalten? Ich glaube die Antwort auf diese Frage hängt von zwei Faktoren ab:
Einer der Faktoren ist die faszinierende und liebevolle Inszenierung von dem Spiels und seiner Spielwelt. Ich habe mich nicht nur einmal selbst dabei ertappt, wie ich einfach nur in der Gegend herumzuspaziert bin, wie die Umgebung genossen hob und das Verhalten von Trico beobachtet habe. Aber das ist natürlich nicht alles. THE LAST GUARDIAN hat auch einen Haufen interessante und teilweise ziemlich unorthodoxe Rätsel und Aufgabenstellungen, die zwar nicht super-schwierig sind und die man in der ein oder anderen Form schonmal in anderen Spielen gesehen hat. Trotzdem fühlt sich das Meistern der Rätsel sehr befriedigend an, vor allem weil einem des Spiel kaum Hilfestellung gibt. Das ist in einer Zeit, wo moderne Spiele immer deppensicherer designt werden, wo überall im Spiel sofort Hilfefunktionen aktiv werden, wenn der Spieler mal eine Minute lang nicht mehr weiter weiß, und man im Prinzip Händchen-haltend durchgeführt wird, einerseits ziemlich ungewohnt, aber andererseits auch sehr erfrischend. Es fühlt sich wirklich danach an, in einer fremden, gefährlichen Umgebung gestrandet zu sein, und es eigentlich gar nicht so sicher ist, ob es überhaupt einen Ausweg gibt. Und dann gibt es natürlich noch die bereits angsprochenen Kletter- und Sprungpassagen in luftigen Höhen. Die sind extrem spannend inszeniert und enden fast immer damit, dass man von Trico in wirklich allerletzter Sekunde gerettet wird, während man buchstäblich den Boden unter den Füßen verliert.
Aber – reicht das wirklich? Ist das wirklich genug, um den Spieler 12 Stunden lang zu fesseln? Das ist letztendlich vom zweiten Faktor abhängig: Vom Spieler selbst. Man muss schon empfänglich sein für diese Art von Spiel. Wenn man SHADOW OF THE COLOSSUS gern gespielt hat, wird man THE LAST GUARDIAN auch mögen. Das garantiere ich. Wenn man Spiel wie JOURNEY faszinierend gefunden hat, und zum Schluss vielleicht sogar a Träne vergossen hat, dann wird einem THE LAST GUARDIAN höchst wahrscheinlich auch taugen. Wenn man mit diesen beiden Beispielen aber überhaupt nichts anfangen hat können, weil das von A nach B kommen nur dann interessant ist, wenn der Weg dazwischen lückenlos mit Action, Krawall und haufenweise Gameplayfeatures gefüllt ist, dann wird man THE LAST GUARDIAN vielleicht nur als langweiliges, zähes Kunst-Experiment mit zahlreichen technischen Problemen sehen.
Ich persönlich war von THE LAST GUARDIAN vom Anfang bis zum Ende einfach nur begeistert. Die einsame, trotslose Stimmung von den verfallenen Ruinen, der mühsahme und scheinbar aussichtlose Aufstieg in die Freiheit und die enge, freundschaftliche Bindung, die man mit Trico aufbaut, haben mich mehr gefesselt, als die meisten Spiele, die ich in den letzten Jahren gespielt habe. Klar, manchmal ärgert man sich über die technischen Mängel. Aber auch SHADOW OF THE COLOSSUS hat ähnliche Probleme gehabt, und trotzdem ist es bis heute eines meiner absoluten Lieblingsspiele. Aber zu keiner Zeit haben es diese Mängel geschafft, mir den Spaß an THE LAST GUARDIAN zu verderben. Vielleicht tragen ja gerade diese Ecken und Kanten zum Charme bei? Vielleicht ist es ja auch eine Art Liebesbeweis, die das Spiel vom Spieler verlangt? Wie dem auch sei, letztendlich muss jeder selber herausfinden, wie er zu dem Spiel steht. Ich kann auf jeden Fall eine riesengroße Empfehlung abgeben. Holt euch THE LAST GUARDIAN, genießt jeden Augenblick des Spiels, lasst euch nicht von den technischen Problemen entmutigen. Etwas auch nur annähernd vergleichbares wird es so schnell nicht mehr geben. Vielleicht war THE LAST GUARDIAN sogar das letzte Exemplar seiner Art.